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Predigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis

von Sr. Sara Thiel

Das wirst du bezahlen!  Du schuldest mir noch was!

Diese Sätze lösen bei mir einen mehr oder weniger großen Adrenalinkick aus. Ich kenne unterschiedliche Reaktionsweisen darauf: Erste Reaktion: Abwehr, Angst oder der Fluchtinstinkt „Bloß weg hier!“; zweite Reaktion, die kritische Frage an mich selbst: „Sind die Ansprüche berechtigt? Habe ich mir etwas zu Schulden kommen lassen? Was genau will der andere von mir und was könnte ich leisten?“ Dritte mögliche Reaktion: Gegenangriff. „Ich habe da aber auch noch eine Rechnung mit Dir offen!“ Denken Sie an die geballten Fäuste vom Anfang.

Und schon sind wir mitten drin im heutigen Evangelium. Da geht es auch um eine Abrechnung.

Zunächst der König, der Rechenschaft von seinen Knechten, also Untergebenen verlangt. Einer schuldet ihm 10.000 Talente. Den Zuhörern von Jesus war sofort sonnenklar: diese Schuld kann der Arme unmöglich jemals in seinem Leben zurückzahlen. Viel zu viel Geld. Und auf einen Lottogewinn brauchte man damals noch nicht zu hoffen. Also ausweglos, dieser enorme Schuldenberg! Wie es dazu gekommen ist, welche Gründe oder Auslöser es vielleicht gab – darüber schweigt die Geschichte, denn der entscheidende Punkt ist ein anderer: es ist das gute Recht des Königs, mit dem Schuldner (inkl. seiner ganzen Familie) zu machen, was er will. Da werden alle mit in Sippenhaft genommen. Die Schuld eines einzelnen bleibt nicht im luftleeren Raum, sondern betrifft auch sein Umfeld, die engeren Familienangehörigen. (Bis heute ist das nicht immer anders.) ABER: das große Aber: es kommt erstmal anders, als die Zuhörer sich das Ende dieser Geschichte schon ausmalen konnten: gestraft zu sein, bis ans Lebensende.

Der Knecht bettelt um Mitleid: Hab Geduld mit mir! Ich werde Dir alles zurückzahlen.

Der König hat nicht nur Geduld mit ihm, sondern er ist unvergesslich großzügig. Er schenkt ihm die ganze Schuld. Ein Schuldenschnitt. Der Schuldschein: durchgestrichen.  

Die Geschichte könnte hier zu Ende sein: happy end! Ist sie aber nicht. Sondern es geht weiter.

Der Knecht ist nicht nur Schuldner seines Königs, sondern er hat offenbar auch einem seiner Kollegen Geld geliehen. Der Betrag ist – verglichen mit den 10.000 Talenten verschwindet gering, aber immerhin noch vergleichbar mit 3-4 Monatsgehältern.

Jetzt ist der Knecht oben auf: „Bezahl, was Du mir schuldig bist!“ Er wird sogar grob. Und wieder das gleiche Bild: der andere bettelt um Mitleid mit den genauen gleichen Worten, wie zuvor der Erste bei seinem König. Nur die Reaktion fällt anders aus. Kein Mitleid. Sondern Schuldhaft. Und damit kaum Aussichten, die Schuld zu bezahlen.  

Auch hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Die Anderen haben es beobachtet und sind traurig. Warum nur konnte der erste Knecht nicht die Großzügigkeit seines Herrn ein bisschen nachahmen? Auch aus Dankbarkeit, dass er sich keine Gedanken mehr, um seinen riesigen Schuldenberg machen brauchte?

Die Geschichte findet kein Happy End: der König ist wütend und nimmt seine großzügige Entscheidung zurück. „Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern (die alte EÜ sprach hier von Folterknechten), bis er die ganze Schuld bezahlt habe.“

Und die Zuhörer – (damals und heute?) – stehen mit Gänsehaut da. Allen damals war klar, dass Jesus von Gott sprach. Und wir heute fragen uns: wie passt das mit dem Bild von einem liebevollen und menschenfreundlichen Gott zusammen?

Ich stehe mit der Frage etwas hilflos da und schaue nochmal auf den Beginn des Evangeliums. Die Ausgangsfrage von Petrus lautete: „Wie oft muss ich meinem Bruder, (Schwestern sind natürlich auch gemeint) vergeben, wenn er gegen mich sündigt?“

Der Vorschlag: „Siebenmal!“ – in dem mitschwingt: ist das nicht schon ziemlich großzügig? Toppt Jesus mit der Antwort „Siebzigmal siebenmal!“ (schnelle Kopfrechner sind gefragt: 490 kommt bei der Rechnung raus). Es geht aber nicht ums mitzählen, sondern um das „immer und immer wieder“.

Aber Jesus erzählt danach diese Geschichte und setzt noch eins drauf: „Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder (und seiner Schwester) von Herzen vergibt.“  

Das Kernmotiv der ganzen Geschichte ist also die Vergebung!

Kann man die so einfach befehlen und verordnen? Am besten noch mit der Angst vor einem unbarmherzigen Gott??

Nein, ich glaube nicht. Denn die erste Aussage, die Jesus mit seiner Geschichte macht, ist: Gott ist unglaublich großzügig! Er vergibt. Unbezahlbar ist seine Güte und Barmherzigkeit!!

 

„Mercy in our times“ lautete der Titel der Ausstellung von Sebastian Sanchez aus Kolumbien, die in den vergangenen Wochen hier in St. Elisabeth zu sehen war. Der junge Künstler hat fünf Werke geschaffen, um zum Nachdenken anzuregen, was Barmherzigkeit jeweils in meiner eigenen Welt bedeutet. Und eines seiner Werke trägt den Titel: Vergeben. Wie gemacht für den heutigen Sonntag und das heutige Evangelium.

Nehmen wir uns noch ein paar Minuten Zeit für dieses Bild.

Ziemlich viel Dynamik, dunkle Farben, Gefühlswogen schwappen hoch. Die Emotionen kochen fast über. Ja, so ist das, wenn ich verletzt werde. Da ärgere ich mich, da werde ich wütend; da muss ich vielleicht diesem Ärger richtig Luft machen. Ich denke, jeder, jede von uns kennt solche Situationen. Sie finden sich gut wieder in den abstrakten Formen des modernen Bildes.

Aber der Titel heißt: Vergeben.

Es ist nicht immer so einfach dem Bruder, der Schwester zu verzeihen; besonders dann nicht, wenn der oder die andere keine Einsicht in ein Fehlverhalten zeigt; wenn es keine Bitte um Entschuldigung (oder sogar ein Flehen um Mitleid, wie im heutigen Evangelium) gibt.

Wenn die Verletzung richtig tief sitzt, es richtig weh tut und der andere so weitermacht, als sei nichts geschehen oder sogar immer wieder neu verletzende Worte oder Verhaltensweisen an den Tag legt? Was dann?

Gibt es nicht auch Verletzungen, die so zerstörerisch, so entwürdigend sind, dass es für die Betroffenen einfach nicht möglich ist, Verzeihung zu schenken??

Ich erinnere mich an eine Frau, die sich so in den Schmerz einer Misshandlung eingeschlossen hatte, dass es ihr nicht möglich war, einfach zu vergeben. Nein, Vergebung kann nicht befohlen werden.

Mich hat der Ansatz von Sebastian Sanchez beeindruckt, der schreibt: „Wie schwer ist es doch, eine Wunde in der Seele zu heilen. Es gibt kein Medikament, das uns über die Folgen der Vergehen eines anderen Menschen hinweghelfen könnte, vor allem nicht, wenn unsere Liebsten betroffen sind…. Wir müssen zulassen, dass Gottes Barmherzigkeit die Wunden unserer Seelen überflutet, um den Schmerz zu überwinden und unser Leben zu heilen, damit wir seinen Frieden finden und Vergebung schenken können.“

Es sind also nicht zuerst wir, die vergeben oder verzeihen; sondern das Erste ist Gottes Barmherzigkeit.

Da gewinnen die dunkeln Wogen auf dem Bild nochmal eine andere Bedeutung. Ich kann sie nicht nur als meine verletzten Gefühle, als meine aufgewühlte Seele ansehen, sondern auch als Gottes Barmherzigkeit, die meine Wunden überfluten will mit Heilvollem.

Und Sebastian Sanchez zitiert Jesus selbst in seiner dunkelsten Stunde am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Jesus sagt nicht: ich vergebe euch; sondern er bittet seinen Vater, die Vergebung zu schenken; auch in den Momenten, wo es keine Schuldeinsicht gibt. Da wo es mir selbst vielleicht unmöglich erscheint, eine Verletzung zu vergeben, da bleibt immer noch das tiefe Vertrauen, in die unmöglich große und tiefe Barmherzigkeit Gottes.

Und nur weil er der Erste ist, kann diese Barmherzigkeit dann auch weiterschwappen: von Gott zu mir, und dann von mir zu anderen.

Auf ein letztes Detail in diesem Bild will ich Sie noch aufmerksam machen: in der Mitte ist mir dieser helle Fleck ins Auge gesprungen. Weiß, silbrig – je nach Blickwinkel. Vergebung schafft eine Leerstelle; einen hellen Ort, wo neues wachsen und entstehen kann. Welch ein Geschenk.   

Vergeben heißt: Aus Liebe Aggression und Provokation überwinden. Das ist mercy in our times. Amen.  

Gottesdienstzeiten

Heilige Messen in der Pfarrei Postbauer-Heng

Sonntag 10:30 Uhr St. Elisabeth
1. u. 3. Samstag im Monat 18:00 Uhr Ezelsdorf
2., 4. u. 5. Samstag im Monat 18:00 Uhr St. Elisabeth

Heilige Messen in der Pfarrei Seligenporten
Sonntag 09:00 Uhr
1. Samstag im Monat 18:00 Uhr

Öffnungszeiten Pfarrbüro

Montag und Dienstag: geschlossen
Mittwoch: 8.30 - 12.00 Uhr
Donnerstag: 14.00 - 17.00 Uhr
Freitag: 8.30 - 12:00 Uhr

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