Predigt in der Osternacht

von Pfarrer Markus Fiedler

Schwestern und Brüder!

Kintsugi nennt man die Technik, mit der in Japan Zerbrochenem neues Leben eingehaucht wird. Dabei wird zerbrochene Keramik nicht einfach geklebt und geschaut, dass man die Bruchstelle nach Möglichkeit gar nicht mehr sieht. Nein, im Gegenteil: Die Bruchlinie soll sichtbar bleiben. Und damit man sie nur ja sieht, verwendet man feinstes Pulvergold, das man dem Kitt beimischt. Das, was vorher kaputt war, ist nun schöner als je zuvor! In unserem Ostergottesdienst begleitet uns seit Donnerstag eine Schale, einmal ganz, einmal zerschlagen in Stücke und heute Nacht mittels Kintsugi-Technik neu zusammengefügt. Sie sehen das Gold. Es erinnert mich an die Wundmale Jesu. So wie die Schale nicht makellos wieder hergestellt wurde, sie ist auch sein Auferstehungsleib nicht makellos: Er trägt für immer die Wundmale. Ja, diese Wundmale erweisen die Echtheit der Auferstehung. Die Erfahrung des Leids, der Weg durch den Tod, der Abstieg in die Abgründe des Menschen, bleibt für immer Teil Jesu. Das ist seine Geschichte. Und darin steckt auch der Trost für uns: Wir alle tragen Wunden, die uns das Leben geschlagen hat. Wenn wir sie in das Licht Jesu halten, dann werden auch sie verklärt, dann bringen sie nicht mehr Schmerz und Tod, dann schenken sie Leben, weil sie angenommen sind. Darum geht es immer wieder: Um das Annehmen: Brüche brauchen nicht versteckt und vertuscht werden, Brüche können gezeigt werden, weil die Bruchstellen die Orte werden, an denen uns das Gold der heilenden Liebe Jesu entgegenkommt. Die Wundmale Jesu, die Bruchlinien an dieser Schale, unsere Wunden – Sie sind Einfallstore der österlichen Gnade. Amen Halleluja!